Der umstrittene russische Propagandafilm "Toleranz" ist nach nur drei Wochen Kinolauf aus den Spielstätten Moskaus zurückgezogen worden – ein finanzieller Reinfall, obwohl er von den Mächten in Moskau lautstark gestützt wurde.
Hintergrund: Russische Filmpropaganda im Wandel
Seit dem Einmarsch in die Ukraine hat das Ministerium für Kultur der Russischen Föderation seine Rolle als Motor staatlicher Medienstrategien deutlich ausgeweitet. Ziel: heimische Narrative stärken und den Westen in einem negativen Licht darstellen. Das Projekt "Toleranz" wurde im Sommer 2024 initiiert, um laut offiziellen Mitteilungen "die Gefahren westlicher Liberalität" zu illustrieren.
Film und Handlung: Ein überzogener Holzhammer
Unter Regie von Dmitri Petrov, Regisseur und mit Mitwirkung namhafter Schauspieler wie Anna Kirova und Sergej Luzin entstand das 120‑minütige Drama, das in dem fiktiven europäischen Land Franglia spielt.
Die Geschichte kreist um einen Pastor, dessen Tochter, Elena, als Trans‑Frau lebt. Während die Stadt ihr offen zujubelt, greifen einige radikale Männer ein – ein Szenario, das in einer brutalen Vergewaltigungs‑ und Kreuzigungs‑Sequenz kulminiert. Die Komödie des Regisseurs besteht darin, dass die Täter bei Entdeckung von Elenas Geschlechtsidentität plötzlich die Handlung umkehren und die Tochter brutal bestrafen, während der Pastor behauptet, "sie wolle ihr altes Ich loswerden". Die Bildsprache ist bewusst überzeichnet, um die angebliche "Gefährlichkeit" westlicher Werte zu betonen.
Reaktionen der Behörden und Medien
Die Premierenpremiere fand am Premiere des Films "Toleranz"Kino Kosmos, Moskau statt. Offizielle Vertreter des Ministeriums lobten das Werk als "starkes Bollwerk gegen die Erosion traditioneller Werte".
Die russische Filmkritik-Website KinoNews veröffentlichte eine begeisterte Rezension, in der sie schrieb: "Der Film zeigt eindrucksvoll, wie die Ablehnung kultureller Wurzeln zur gesellschaftlichen Fragmentierung führt". Internationale Medien, darunter die Times, berichteten jedoch von der schaurigen Bildsprache und kritisierten die Propagandafunktion.
Kassenflop und finanzielle Folgen
Rohzahlen aus dem ersten Kinowochenende belegen das Desaster: 1,2 Millionen Rubel Einspielergebnis gegenüber den geplanten 45 Millionen – ein Verlust von über 95 %. Die Produzenten, ein Konsortium aus staatlichen und privaten Studios, mussten bereits am 23. November 2024 die Vorführungen einstellen.
Analysten von Finanzanalyse GmbH schätzen, dass das Scheitern von "Toleranz" zu einem direkten finanziellen Schaden von rund 38 Millionen Rubel für die beteiligten Filmstudios und für die Kulturförderung des Staates führt. Die Rückbuchungen von Kinoverträgen belasten zudem kleinere Betreiber, die bereits in Vorleistung gegangen waren.
Analyse und Ausblick: Was bedeutet das für die russische Propaganda?
Der Flop legt nahe, dass einfache Propagandabotschaften nicht mehr automatisch auf breite Zuschauerzahlen treffen. Experten wie Prof. Olga Sokolova vom Institut für Medienforschung Berlin argumentieren, dass russische Filmemacher zunehmend zwischen künstlerischer Qualität und parteipolitischer Botschaft jonglieren müssen.
Gleichzeitig könnte das Scheitern den Kreislauf von staatlich geförderten Großproduktionen bremsen. Einige Insider vermuten, dass das Ministerium künftig lieber auf kürzere Formate wie Web‑Serien setzt, die kostengünstiger sind und leichter über Streaming‑Plattformen verbreitet werden können.
Für die internationale Wahrnehmung bleibt "Toleranz" ein Beispiel dafür, wie Propaganda in der Unterhaltungsindustrie scheitern kann, wenn sie den Geschmack der eigenen Bevölkerung verfehlt. Beobachter werden in den kommenden Monaten prüfen, ob weitere Projekte mit ähnlichem Ziel noch einmal gestartet werden oder ob der Fokus auf subtile Soft‑Power‑Strategien wechselt.
Schlüsselfakten
- Film: "Toleranz", Regie: Dmitri Petrov
- Premiere: 2. Nov. 2024, Kino Kosmos, Moskau
- Kassenverlust: ca. 38 Mio. Rubel
- Finanzierung: Ministerium für Kultur + private Studios
- Fiktives Setting: Franglia (Europa)
Häufig gestellte Fragen
Warum wurde der Film "Toleranz" nach nur drei Wochen aus den Kinos genommen?
Die Kinokassen zeigen ein extrem schwaches Einspielergebnis von nur 1,2 Millionen Rubel, während die Kosten bei rund 45 Millionen Rubel lagen. Das erhebliche finanzielle Defizit veranlasste die Betreiber, die Vorführungen vorzeitig zu beenden.
Welche Rolle spielte das Ministerium für Kultur bei der Produktion?
Das Ministerium stellte zentrale Fördermittel bereit, koordinierte die Besetzung prominenter Schauspieler und nutzte seine Kommunikationskanäle, um den Film als "Werte‑Verteidiger" zu präsentieren.
Wie reagierten Zuschauer und Kritiker in Russland?
Während offizielle Medien wie KinoNews das Werk lobten, äußerten viele Kinobesucher Enttäuschung über die primitive Storytelling‑Methoden. Social‑Media‑Posts zeigten spöttische Memes und forderten mehr Substanz.
Welche finanziellen Folgen hat der Flop für die beteiligten Studios?
Die privaten Studios, die gemeinsam mit dem Staat produzierten, müssen Verluste von bis zu 38 Millionen Rubel ausgleichen. Kleinere Kinobetreiber, die Vorauszahlungen leisteten, stehen nun vor Liquiditätsproblemen.
Was bedeutet das Scheitern für künftige Propagandaprojekte in Russland?
Experten vermuten, dass die Behörden künftig auf kostengünstigere Formate wie Serien oder Online‑Kurzfilme setzen, um Risiken zu reduzieren. Der Fokus könnte sich stärker auf subtile Narrative verlagern, die nicht sofort als Propaganda erkennbar sind.